Ein 500 Jahre altes Liebeslied berührt meine Seele.

Zeit ihres Lebens verfasste die hinduistische Dichterin Mirabai über 1300 Bhajans, der Gottheit Krishna gewidmete „Liebeslieder“. Die reine Liebe und die erotische Symbolik zwischen den beiden transzendieren Jahrhunderte und Kulturen.

Ich habe Ihnen bereits von meiner Faszination für Mirabai berichtet. Mirabei ist eine der beliebtesten Frauen Indiens und lebte im 16. Jahrhundert. Sie verließ ihr Leben als Prinzessin und wurde Wanderdichterin. Als sie 1550 starb, galt sie bereits als eine Heilige und die Menschen in ganz Indien trugen ihre Gedichte vor und tanzten dazu – bis heute.

Mirabais Lebensgeschichte inspiriert mich sehr, doch es sind ihre Gedichte, die einen Blick in ihre Seele zulassen. In den Bhajans schildert sie sich selbst als Liebhaberin von Krishna und ihre Sehnsucht nach ihm ist unstillbar und endlos.

Da ist zum Beispiel dieses Gedicht:

The Dark One’s love-stain is on her,
other ornaments Mira sees as mere glitter.
A mark on her forehead,
a bracelet, some prayer beads,
beyond that she wears only her conduct.
Make-up is worthless
when you’ve gotten truth from a teacher.
the Dark One has stained me with love,
and for that some revile me,
others give honor
I simply wander the road of the sadhus
lost in my songs.

Die Intimität dieser Zeilen berührt mich sehr. Die Vorstellung, ihr Liebhaber Krishna habe sie mit Liebe befleckt – er wird meistens mit schwarzer oder blauer Haut abgebildet – finde ich extrem erotisch. Als würde ihre Liebe zu ihm jede einzelne Pore ihres Körpers durchdringen. Auch wenn ich nicht alle mystischen Zusammenhänge dieser heiligen Lieder erfasse, öffnen sie mein Herz. Was das anbelangt sind Mirabais Bhajans heute ebenso aktuell wie sie es gewesen sein müssen, als diese erstaunliche Frau sie vor über 500 Jahren selbst vortrug.

Eine wirklich schöne Sammlung ihrer Gedichte findet sich in Mirabai: Ecstatic Poems von Robert Bly und Jane Hirshfield.