Schund vom Feinsten- Ich liebe Fifty Shades. Ist das ein Problem?

Schund vom Feinsten- Ich liebe Fifty Shades. Ist das ein Problem?

by Marlies Dekkers
Zunächst muss ich etwas gestehen: Ich bin ein ziemlicher Kultur-Snob. Klassische Musik, Literatur … es sind die hochkarätigen Sachen, die mich ins Schwärmen geraten lassen. Mein absolutes Lieblingsbuch ist Dantes Göttliche Komödie, ich denke, das sagt genug. Dennoch habe ich Fifty Shades of Grey richtig gern gelesen – und mit mir 100 Millionen (!) Frauen auf der ganzen Welt. Jetzt, wo der mit Spannung erwartete Film nächste Woche in den Kinos anläuft, frage ich mich: Warum erhält das Buch immer noch die Qualifikation „dummes Gequatsche“? Warum fällt es uns so unglaublich schwer, zuzugeben, dass es uns antörnt?

In der Menschheitsgeschichte wussten wir immer genau, worauf Männer abfahren. Sie waren bei diesem Thema ja auch nicht gerade zurückhaltend! Ein durchschnittlicher Porno verläuft immer nach dem gleichen Muster: Blondes Mädchen, Mega-Busen und nach genau 8 Minuten abspritzen ins Gesicht. Und jetzt gibt es eine Milliarden-Industrie, die genau das zum Thema hat. Das ist natürlich okay, aber Frauen haben sich die ganze Zeit gefragt, welcher Teil ihrer sexuellen Fantasien eigentlich von den Vorlieben der Männer beeinflusst wurde. Und sie können es kaum erwarten, herauszufinden, was SIE anmacht.

Da kommt auf einmal Fifty Shades of Grey, ein BDSM*-Märchen im Stil eines Cora-Romans. Die Autorin E.L. James bedient sich einer breiten Palette romantischer Klischees – Mister Grey ist ein reicher, gut aussehender Mann, sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende usw. –, doch all diese Elemente werden eingesetzt, um uns sanft an die harten, expliziten Szenen heranzuführen: detaillierte Beschreibungen, die einen ohne richtiges Aufwärmen so manches Mal „Autsch!“ ächzen lassen.

Nun ist BDSM zufällig mein Ding und somit sind mir viele Situationen im Buch sehr vertraut. Jahrelang habe ich versucht, meinen Freundinnen von meinen Abenteuern zu erzählen und wollte vermitteln, wie stark einen diese sexuelle Spielart machen kann. Aber die Damen waren so unglaublich zimperlich, dass sie mich meine Geschichte nicht einmal zu Ende erzählen ließen!

Ich verstehe, dass das Hardcore-Zeugs nicht jedermanns Sache ist. Aber im Kern hat BDSM eine ganz wundervolle Dynamik: Zwei Menschen befassen sich intensiv mit der Lust und der Leidenschaft des jeweils anderen. Der als Blümchensex bezeichnete Standardsex dreht sich hauptsächlich um die männliche Ejakulation. Sobald dieser Fokus wegfällt, unter anderem bei BDSM, entsteht mehr Raum für Spielereien wie Gedankenspiele. Beispiel: Sie sitzen mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin im Restaurant und er/sie sagt Ihnen, Sie sollen auf die Toilette gehen und Ihren Slip ausziehen. Auch das ist BDSM, ganz ohne Peitschen und Nippelklemmen.

Was mir bei meinen Freundinnen nicht gelungen ist, hat E.L. James bei weltweit über 100 Millionen Frauen erreicht: Sie pflanzt Frauen den Gedanken ein, dass auch IHRE Lust, IHRE Leidenschaft im Mittelpunkt stehen kann. Mehr noch, sie liefert sogar einen Leitfaden und legt dar, was Frauen heute anmacht. Ich an meiner Stelle habe versucht, mit meinen Entwürfen und meiner Markenphilosophie in der Hinsicht eine Rolle zu spielen, doch ohne diese Bücher hätten wir noch mindestens 200 Jahre gebraucht, um diesen Punkt zu erreichen. So gesehen ist E.L. James eine der einflussreichsten Feministinnen unserer Zeit.

Ist Fifty Shades of Grey Kunst in ihrer reinsten Form? Natürlich nicht. Aber Pornos für Männer gehören ja auch nicht gerade zur Hochkultur, oder? Ich behaupte sogar, dass Fifty Shades of Grey nicht einmal als Literatur bezeichnet werden kann, es ist Trivialliteratur – allerdings mit Kaliber, denn es gelingt ihr, all unsere Knöpfe zu betätigen, manchmal sogar wortwörtlich! Wir sollten also aufhören, dieses Buch als „dummes Gequatsche“ abzutun und es endlich als das betrachten, was es ist: nicht mehr und nicht weniger als eine sexuelle Revolution.

*BDSM: Ein auf körperlicher, psychologischer und in der Regel sexueller Ebene stattfindendes Rollenspiel aus Macht und Unterwerfung, das einvernehmlich in einem abgesprochenen Rahmen gespielt wird.

Most loved
Building bridges

MD Friends

Building bridges

by marlies|dekkers

From the Erasmus Bridge and the Mercedes-Benz Museum to Qatar’s metro network; Ben van Berkel’s iconic landmarks bring people together in rapturous beauty, again and again. I talked with the Dutch architect and educator about sensuality, ‘healthy’ buildings and the remarkable parallels between our designs.

More than a feeling

MD Friends

More than a feeling

by marlies|dekkers

Don’t ignore your emotions; they are much more powerful than you can imagine. By linking the magical world of emotions with hard science, Dutch scientist Pierre Capel, professor emeritus in experimental immunology, shows us the consequences of our feelings and the power of our minds. The message: we can do much more than we think. “Meditate. It’s the single best thing you can do for your health.”

Keto curious?

Marlies Says

Keto curious?

by marlies|dekkers

The fact that I feel bikini-confident all year round is, of course, a nice bonus. But for me, the biggest payoff of following the keto diet is the way it optimizes my health and gives me tons of energy.

Super (skin) food

Marlies Says

Super (skin) food

by marlies|dekkers

‘If you can’t eat it, why put it on your skin?’. I pretty much live by this beauty adage. After all, with your skin being one of your body’s largest organs, anything – and I mean anything! – you put onto your skin will end up in your bloodstream.